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Checkpoint Charlie: Strenge Vorgaben für privaten Investor | von Ulrich Paul

Im Rahmen des „Dialogverfahrens Checkpoint Charlie“ wurden am 24.01.2023 die Leitlinien für den Bildungs- und Erinnerungsort Checkpoint Charlie der Öffentlichkeit präsentiert. Der Redakteur Ulrich Paul erläutert in seinem Beitrag zunächst die wichtigsten Vorgaben für den privaten Investor, der auf den angrenzenden Grundstücken östlich und westlich der Friedrichstraße die Errichtung von Neubauten plant. Mit den Vorgaben soll u.a. sichergestellt werden, dass der Bildungs- und Erinnerungsort nicht durch gastronomische und touristische Einrichtungen gestört wird und so auch die Wirkung der beiden denkmalgeschützten Brandwände sichergestellt ist. Die nach Süden ausgerichtete Neubauwand auf der Ostseite der Friedrichstraße soll bis zur Höhe von 11 Metern als geschlossenes Bauteil ohne Fenster und Türen ausgeführt werden. Auf dem Westgrundstück soll die an den Stadtplatz angrenzende Neuwandwand im Erdgeschoss „geschlossen“ ausgebildet werden. Im Artikel wird der bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen für den Checkpoint Charlie verantwortliche Abteilungsleiter Wohnungsbau und Projekte, Manfred Kühne, zitiert: „Wir wollen deutlich weniger Rummel dort haben, als das heute der Fall ist“.

Für die Neubauplanung auf dem Ostgrundstück wird in Kürze ein beschränkter „Realisierungswettbewerb“ starten. Auf dem Ostgrundstück wird die Planung des Investors vom „Baukollegium Berlin“ begleitet. Um die vom Land Berlin gekauften Teilgrundstücke auf der Ost- und Westseite möglichst optimal zu verbinden, ist geplant, die Friedrichstraße im Bereich des Checkpoint Charlie in eine verkehrsberuhigte Zone umzubauen.

Berliner Zeitung vom 24.01.2023 (Online-Ausgabe)

 

Vorausgeschickt sei, dass ich die Vertragsfreiheit und die Vertraulichkeit von Vertragsinhalten für ein hohes und schützenswertes Rechtsgut halte. Das laufende Verfahren zur Neubebauung am Checkpoint Charlie, das für mich Züge einer „Öffentlich-privaten Partnerschaft“(auch ÖPP genannt) trägt, stellt insofern eine Besonderheit dar, als dass der Senat von Berlin als die eine Vertragspartei seine Amtsgeschäfte nicht wie ein privates Unternehmen führen darf. Der Regierende Bürgermeister legt nach seiner Wahl im Abgeordnetenhaus folgenden Eid ab: „Ich schwöre, mein Amt gerecht und unparteiisch, getreu der Verfassung und den Gesetzen zu führen und meine ganze Kraft dem Wohle des Volkes zu widmen.“ Wenn man die Presseberichte zu den Verhandlungen mit der anderen Vertragspartei, dem Investor „Trockland“, verfolgt, sind allerdings Zweifel angebracht, ob der Senat in den bisherigen Verhandlungen das Gemeinwohl in befriedigendem Umfang zur Geltung gebracht hat.

So kann über den Inhalt des schon vielzitierten „Letter of Intent“ nur spekuliert werden, der Beteilungsprozess „Zukunft Checkpoint Charlie“ lief weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit (bei einer Einwohnerzahl von ca. 3,7 Millionen sollen sich ca. 300 Bürger beteiligt haben, also 0,008 % der Einwohnerschaft), das Protokoll der Gutachtersitzung zum Abschluss des städtebaulichen Workshopverfahrens wurde bisher nicht veröffentlicht, den aktuellen Abwicklungsstand des Grundstückskaufs kennen nur Eingeweihte (Gibt es Hindernisse, die der Eigentumsumschreibung entgegenstehen? Welche Rolle spielt der Insolvenzverwalter?), es ist für Außenstehende nicht zu verstehen, wieso ein grundbuchlich gesichertes Vorkaufsrecht Schadensersatzansprüche auslösen soll (schließlich war diese Tatsache dem Investor bekannt; hat der Senat hier etwa ohne Not auf Rechte verzichtet?) und die Frage, welchen Bearbeitungsstand das für die beiden freien Grundstücke laufende Bebauungsplanverfahren 1-98 (zu finden auf der Seite „Bebauungspläne im Verfahren“ der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen) erreicht hat, können wohl nur die zuständige Senatorin Kathrin Lompscher und der für das Verfahren zuständige Abteilungsleiter Manfred Kühne beantworten.

Nach alledem ist es für mich höchste Zeit, dass der Senat seine Informationspolitik „um 180 Grad“ ändert und das Abgeordnetenhaus, die Öffentlichkeit und die Presse über den Inhalte der Verträge und Absprachen  mit dem Investor „Trockland“ sowie den Stand des o.g. Bebauungsplanverfahrens vollumfänglich aufklärt. Im diesem Zusammenhang sei noch angemerkt, dass der CDU-Abgeordnete Stefan Evers, der Mitglied des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen im Berliner Abgeordnetenhaus ist, einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt hat.