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Das von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen in enger Kooperation mit dem Investor „Trockland“ durchgeführte Workshop-Verfahren hat nach Aussagen von Fachbeobachtern zu keinem überzeugenden Ergebnis für die am Checkpoint Charlie geplante Neubebauung geführt. Selbst die für das Verfahren zuständige Senatorin Kathrin Lompscher hat sich zurückhaltend geäußert, wie in der Pressemitteilung der Senatsverwaltung vom 7. August nachzulesen ist. Schon der Eingangssatz des Statements von Frau Lompscher (Zitat :  „Ich freue mich, dass wir jetzt einschätzen können, wie sehr unterschiedliche städtebauliche Vorschläge von einer Blockrandbebauung bis hin zu stadtbildprägenden Hochhäusern von engagierten Bürgerinnen und Bürgern wie von Expertinnen und Experten eingeschätzt werden.“) zeigt für mich ganz deutlich, dass bis zu einem Konsens über die Bebauung des weltbekannten Erinnerungsorts noch viele Hürden zu überwinden sein werden.

Entgegen dem erklärten Ziel der Initiatoren des Workshop-Verfahrens wurde kein Entwurf für den Realisierungswettbewerb empfohlen, was nicht zuletzt an der längst vorliegenden Hotel-Planung des vom Investor favorisierten Achitekturbüros „Graft Architekten“ für das östliche Grundstück (Block Zimmerstr./Friedrichstr./Schützenstr.) liegt .

Wie es jetzt weiter geht, scheint bei den unterschiedlichen Interessenlagen von Investor, Senatsverwaltungen, Abgeordnetenhaus und kritischer Öffentlichkeit eine alles andere als leicht zu beantwortende Frage zu sein.

Ein großer Schritt hin zum bestmöglichen Planungskonzept für die Bebauung der freien Grundstücke wäre die Ausschreibung eines offenen Architektenwettbewerbs, wie die Architektenkammer Berlin in ihrer Pressemitteilung vom 19. September überzeugend darlegt.

Schon seit Ende Juni liegt übrigens dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller, der von Dezember 2011 bis Dezember 2014 das Amt des Senators für Stadtentwicklung innehatte und dem städtebauliche Planungsverfahren deshalb etwas sagen sollten, ein Schreiben der Architektenkammer zum Thema „offener Wettbewerb“ vor. Bis heute hat es Herr Müller nicht für nötig befunden, darauf zu antworten, was für mich nicht anders als ein Ausdruck von großer Ignoranz gegenüber der städtebaulichen Entwicklung in unserer Stadt ist.

 

 

 

 

 

 

Wer heute den seit 28.05.2018 laufenden Beteiligungsprozess „Zukunft Checkpoint Charlie“ der Senatsbauverwaltung analysiert, wird unschwer erkennen, dass hier eine vom Investor „Trockland“  ausgewählte Gruppe von sieben international bekannten Architekten Massen-Entwürfe vorgelegt hat, die ohne große Rücksichtnahme auf die Vorgaben der Landesdenkmalbehörde und den besonders sensiblen Erinnerungsort „Checkpoint Charlie“ erstellt wurden. Zusätzlich sollte man wissen, dass das Büro „Graft Architekten“ für das auf der östlichen Seite geplante Hotel schon „gesetzt“ war, sodass eigentlich nur das westlich der Friedrichstraße gelegene Grundstück planerisch frei gestaltet werden konnte.

Natürlich kann man keinem bauwilligen Investor verbieten, auf eigene Kosten für ein x-beliebiges freies Baugrundstück eine Architektenplanung zu beauftragen. Mich verwundert nur bis heute, dass das Land Berlin bei einer so exponierten Stadtlage der Firma „Trockland“, die nach Presseberichten nicht einmal Eigentümer der Grundstücke ist, den roten Teppich ausrollt. Vielleicht hat hier schon die Ankündigung des Investors, dass die Architekten von Brad Pitt (Graft Architekten) wieder in Berlin tätig werden, auf Seiten des Senats eine „Dienstbotenmentalität“ entstehen lassen.

Wie auch immer die endgültige Planung für die freien Flächen aussehen wird, müsste es bei einem weltweit bekannten Erinnerungsort wie dem Checkpoint Charlie eine Selbstverständlichkeit sein, sich auf die Suche nach dem bestmöglichen Entwurf zu machen. Wie das mit einem eingeschränkten Kreis von Architekten, die vor allen Dingen aus Marketinggründen vom international gut vernetzten Investor ausgesucht wurden, funktionieren soll, wird den Bürgerinnen und Bürgern wohl kein Senatsmitglied schlüssig erklären können.

Die Architektenverbände und Teile der Fachöffentlichkeit fordern deshalb völlig zu Recht, dass für Beplanung beider Grundstücke ein offener Wettbewerb nach § 3 (2) der Richtlinie für Planungswettbewerbe (RPW) ausgeschrieben werden sollte.

Nach meinen Informationen hat es allerdings der Regierende Bürgermeister Michael Müller, dessen Senatskanzlei kürzlich die Verantwortung für die „Berlin Strategie 2030“ ( siehe Berliner Zeitung vom 9.8.18 „Lompscher überlässt die großen Visionen dem Roten Rathaus“ ) von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen übernommen hat, es nicht einmal für nötig befunden, auf die von der Architektenkammer Berlin schriftlich vorgetragene Bitte nach einem offenen Wettbewerbsverfahren zu reagieren.

Um die im Senat offensichtlich verbreitete Ignoranz gegenüber den berechtigten Forderungen aller mit Baukultur befassten Fachverbände zu beenden, rufe ich alle Leserinnen und Leser dieses Artikels auf, dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller und der für die Bauplanung zuständigen Senatorin Katrin Lompscher ein Schreiben mit der Forderung nach der Auslobung eines offenen Wettbewerbs für die Neubebauung der freien Grundstücke am Checkpoint Charlie zu schicken.

„Checkpoint Charlie muss bürgernaher Geschichtsort werden“ | Gastbeitrag von Theresa Keilhacker und Christoph Sommer

Die Architektin Theresa Keilhacker und der Stadtforscher Christoph Sommer von Geographischen Institut der HU Berlin geben einen detaillierten Überblick über den aktuell bekannten „Flächen-Mix“, die notwendige stärkere Ausrichtung des Planungsprozesses auf die Interessen der Öffentlichkeit und den Standpunkt des Berliner Senats zur Ausübung des Vorkaufsrechts. Die Autoren fordern den Senat und das Abgeordnetenhaus auf, die Ergebnisse des laufenden Workshopverfahren kritisch zu untersuchen und bei Zweifeln an der städtebaulichen Qualität und Gemeinwohlorientierung einen offenen städte- und hochbaulichen Wetttbewerb durchzuführen. Dabei sollte auch der von der Wirtschaftssenatorin Ramona Pop verkündete Anspruch, in Berlin Ideen für einen nachhaltigen und stadtverträgliche Tourismus umzusetzen, ernstgenommen werden.

Tagesspiegel vom 01. August 2018