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Stadtplanung für alle? Wie der Berliner Senat mit einer kritischen Öffentlichkeit umgeht | von Theresa Keilhacker und Christoph Sommer

In einem ausführlichen Artikel in der Online-Zeitung „Berliner Gazette“ befassen sich die Architektin Theresa Keilhacker und der Stadtgeograph Christoph Sommer mit dem aktuellen Stand der Bauleitplanung am Checkpoint Charlie, der in der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen am 8. Mai im Berliner Abgeordnetenhaus präsentiert wurde. Frau Keilhacker und Herr Sommer zeichnen unter der Überschrift „Eine Geschichte verworfener Ideen“ zunächst den seit 2015 laufenden Planungsprozess und die ab Sommer 2018 intensiver werdende öffentliche Diskussion um die von der Trockland-Gruppe geplante Neubebauung nach. Der Artikel schließt mit „Vier Fragen an Rot-Rot-Grün“ und einem Plädoyer für einen Rückkauf der Brachflächen durch das Land Berlin.

Artikel in der Berliner Gazette vom 22.05.2019

 

Bereits während des im Sommer 2018 laufenden Partizipationsverfahrens hat sich die Initiative „Checkpoint Charlie erhalten“ im Blogbeitrag „Plädoyer für die Ausübung des Vorkaufsrechts“ für die Nutzung des in den Grundbüchern der beiden freien Grundstücke eingetragenen Vorkaufsrechts für das Land Berlin ausgesprochen. Nachdem der Senat Anfang Dezember 2018 seine Planungsziele für diesen weltweit bekannten Ort geändert hat, stand die Neubauplanung am Checkpoint Charlie erstmals seit der Planungsziel-Änderung auf der Tagesordnung des zuständigen Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen am 08.05.2019. Die Fraktion der LINKEN im Abgeordnetenhaus hatte bereits in einem Beschluss vom 11.12.2018 unter Punkt 2 gefordert, auf „das dinglich gesicherte Vorkaufsrecht“ nicht zu verzichten. In der Ausschuss-Sitzung am 08.05.2019 hat sich nun auch die CDU-Fraktion deutlich für den Rückkauf der beiden freien Grundstücke ausgesprochen. Damit haben sich zwei große Fraktionen des Abgeordnetenhauses „pro Vorkaufsrecht“ positioniert!

Schon die komplexe Grundstücks- und Verkehrssituation sowie die Anforderungen des Denkmalschutzes, die als „Gesamtpaket“ von einem Privat-Investor nur schwer zu beherrschen sind, sprechen für eine Grundstücksentwicklung durch einen Partner, der im Auftrag der Öffentlichen Hand tätig wird. Entscheidend ist aber, dass der Checkpoint Charlie aufgrund seiner großen historischen Bedeutung zur „DNA“ von Berlin gehört und die Interessen der Stadt und seiner Bürgerinnen und Bürger auf Dauer nur gesichert werden können, wenn das Land Berlin wieder Eigentümer der beiden unbebauten Grundstücke wird. Dabei spielt die Höhe des Kaufpreises nach meiner Überzeugung eine untergeordnete Rolle.

Es ist nach Ansicht der damals wie heute größten Parteien im Abgeordnetenhaus, CDU und SPD , ein großer politischer Fehler gewesen, die Grundstücke am Checkpoint Charlie in den frühen 90er-Jahren an einen Privatinvestor zu verkaufen. Wieso diese Erkenntnis nicht dazu führt, die sich jetzt abzeichnende Rückkauf-Gelegenheit zu nutzen und diesen Fehler zu korrigieren, ist für mich nicht nachvollziehbar.

Alle Gegenargumente, die von vorrangig aus Eigennutz handelnden Akteuren im Laufe der letzten Monate vorgetragen wurden, erfassen die politische Bedeutung dieser „Rückkauf-Gelegenheit“ auch nicht ansatzweise. Senat und Abgeordnetenhaus von Berlin sollten sich davon nicht beirren lassen und zeitnah die notwendigen Vorbereitungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts treffen.

CDU will Gelände am Checkpoint Charlie zurückkaufen | von Jens Anker

In der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen hat sich der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Stefan Evers, für einen Rückkauf der beiden brachliegenden Grundstücke am Checkpoint Charlie ausgesprochen. Der Rückkauf sollte nach Meinung der CDU für die Stadt finanzierbar sein, wo doch „der Senat hunderte Millionen Euro für den Rückkauf von Wohnungen ausgibt“. Außerdem berichtet der Redakteur Jens Anker, dass der Senat ein Hotel am Checkpoint Charlie für nicht passend erachtet und die SPD eine Fußgängerzone am Checkpoint Charlie vorschlägt.

Artikel in der Berliner Morgenpost vom 08.05.2019

Hinweis: zum Lesen des kompletten Beitrags ist eine kostenlose Anmeldung auf der Internetseite der Berliner Morgenpost erforderlich.

SPD Mitte stellt sich gegen Pläne für Checkpoint Charlie | von Laura Hoffmann

Auf der Seite „Tagesspiegel Leute“ meldet die Redakteurin Laura Hoffmann, dass sich der SPD-Kreisvorstand Berlin-Mitte in der Sitzung am 6. November gegen die derzeitigen Pläne für die Neubebauung am Checkpoint Charlie ausgesprochen hat. Damit distanziert sich der größte Berliner Kreisverband auch von Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz (SPD), der seit geraumer Zeit die Verhandlungen mit dem Investor „Trockland Gruppe“ führt. Das Land Berlin wird mit dem Beschluss aufgefordert, das im Grundbuch verankerte Vorkaufsrecht zu prüfen und sich stärker für gemeinwohlorientierte Nutzungen einzusetzen.

Tagesspiegel vom 07.11.2018 (Leute Newsletter)

 

Die Initiative beginnt heute, über aktuelle Ereignisse rund um das Neubauprojekt am Checkpoint Charlie zu berichten. Mit der Sitzung des Ausschusses für kulturelle Angelegenheiten am 3. September hat der erste mit dem Neubauprojekt befasste Parlamentsausschuss seine Arbeit aufgenommen. Im Moment ist das Sitzungsprotokoll noch nicht veröffentlicht (Stand 6.9./18:25 Uhr) und man darf gespannt sein, ob in der Sitzung über das Projekt des Investors „Trockland“ gesprochen wurde. In jedem Fall steht das Thema auf der Tagesordnung des „25. Runden Tischs für Liegenschaftspolitik“, der am morgigen Freitag ab 10 Uhr im Abgeordnetenhaus tagt. Das Referat zum Tagesordnungspunkt „Liegenschaftsfall Checkpoint Charlie“ übernimmt Theresa Keilhacker, die sich von Beginn an kritisch mit Inhalt und Ablauf des Verfahrens auseinandersetzt.

Im Morgen-Newsletter „Checkpoint Tagesspiegel“ des Chefredakteurs Lorenz Maroldt wurde heute berichtet, dass der Investor „Trockland“ Abgeordneten des Landesparlaments in einem Schreiben mitgeteilt hat, bei einer Verzögerung der notwendigen Parlamentszustimmung über den 31.12.2018 hinaus die Zwangsversteigerung der Grundstücke in die Wege zu leiten. Nach den von der Berliner Zeitung veröffentlichten Grundbuchauszügen hat eine in Luxemburg beheimatete Firma die erst- und zweitrangig gesicherten Grundschulden übernommen und ist als Gläubiger natürlich berechtigt, die Zwangsversteigerung zu beantragen. Hier wie auch an vielen anderen Stellen mangelt es allerdings an Transparenz. Die geschäftliche Beziehung zwischen „Trockland“ und dem im Grundbuch genannten Grundschuldgläubiger „AF I Originator S.a.r.l.“ bleibt ebenso im Dunkeln wie die konkreten vertraglichen Regelungen zu dem für das Land Berlin eingetragenen Vorkaufsrecht. Die genauen Bestimmungen zum Vorkaufsrecht, das nicht nur „für den ersten Verkaufsfall“, sondern „für alle Verkaufsfälle“ gilt, ergeben sich aus der Bewilligungen, die von einer Notarin in den 90er-Jahren beurkundet wurden und die bei den Grundakten im Amtsgericht Mitte liegen. In einem Zwangsversteigerungverfahren könnte das Land Berlin das Vorkaufsrecht nicht ausüben. Dieses Recht geht aber mit dem ersten Verkauf wahrscheinlich nicht unter, sondern bleibt als Belastung in Abteilung 2 des Grundbuches stehen. Bei dieser Grundbuchlage und der komplizierten Planungssituation sind Zweifel angebracht, ob das Zwangsversteigerungsverfahren ein Selbstläufer wird. Nicht auszuschließen ist, dass Trockland selbst das Grundstück ersteigert und so die Hindernisse beseitigt, die momentan der Eigentumsumschreibung im Wege stehen.

Da eine Grundbucheinsicht nur möglich ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse nachweist, sollte das Land Berlin ernsthaft prüfen, ob es einen Weg für eine Veröffentlichung der kompletten Grundakten gibt. Nur durch eine solche Transparenz-Offensive kann der Senat schon verlorengegangenes Vertrauen zurückgewinnen.

 

Vorausgeschickt sei, dass ich die Vertragsfreiheit und die Vertraulichkeit von Vertragsinhalten für ein hohes und schützenswertes Rechtsgut halte. Das laufende Verfahren zur Neubebauung am Checkpoint Charlie, das für mich Züge einer „Öffentlich-privaten Partnerschaft“(auch ÖPP genannt) trägt, stellt insofern eine Besonderheit dar, als dass der Senat von Berlin als die eine Vertragspartei seine Amtsgeschäfte nicht wie ein privates Unternehmen führen darf. Der Regierende Bürgermeister legt nach seiner Wahl im Abgeordnetenhaus folgenden Eid ab: „Ich schwöre, mein Amt gerecht und unparteiisch, getreu der Verfassung und den Gesetzen zu führen und meine ganze Kraft dem Wohle des Volkes zu widmen.“ Wenn man die Presseberichte zu den Verhandlungen mit der anderen Vertragspartei, dem Investor „Trockland“, verfolgt, sind allerdings Zweifel angebracht, ob der Senat in den bisherigen Verhandlungen das Gemeinwohl in befriedigendem Umfang zur Geltung gebracht hat.

So kann über den Inhalt des schon vielzitierten „Letter of Intent“ nur spekuliert werden, der Beteilungsprozess „Zukunft Checkpoint Charlie“ lief weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit (bei einer Einwohnerzahl von ca. 3,7 Millionen sollen sich ca. 300 Bürger beteiligt haben, also 0,008 % der Einwohnerschaft), das Protokoll der Gutachtersitzung zum Abschluss des städtebaulichen Workshopverfahrens wurde bisher nicht veröffentlicht, den aktuellen Abwicklungsstand des Grundstückskaufs kennen nur Eingeweihte (Gibt es Hindernisse, die der Eigentumsumschreibung entgegenstehen? Welche Rolle spielt der Insolvenzverwalter?), es ist für Außenstehende nicht zu verstehen, wieso ein grundbuchlich gesichertes Vorkaufsrecht Schadensersatzansprüche auslösen soll (schließlich war diese Tatsache dem Investor bekannt; hat der Senat hier etwa ohne Not auf Rechte verzichtet?) und die Frage, welchen Bearbeitungsstand das für die beiden freien Grundstücke laufende Bebauungsplanverfahren 1-98 (zu finden auf der Seite „Bebauungspläne im Verfahren“ der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen) erreicht hat, können wohl nur die zuständige Senatorin Kathrin Lompscher und der für das Verfahren zuständige Abteilungsleiter Manfred Kühne beantworten.

Nach alledem ist es für mich höchste Zeit, dass der Senat seine Informationspolitik „um 180 Grad“ ändert und das Abgeordnetenhaus, die Öffentlichkeit und die Presse über den Inhalte der Verträge und Absprachen  mit dem Investor „Trockland“ sowie den Stand des o.g. Bebauungsplanverfahrens vollumfänglich aufklärt. Im diesem Zusammenhang sei noch angemerkt, dass der CDU-Abgeordnete Stefan Evers, der Mitglied des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen im Berliner Abgeordnetenhaus ist, einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt hat.

 

 

 

In den letzten Wochen haben sich einflussreiche Abgeordnete des Berliner Landesparlaments kritisch zu den Neubauplänen am Checkpoint Charlie geäußert. Damit ist die Strategie des Senats wohl gescheitert, das Projekt der Firma „Trockland“ in der Sommerpause so weit voranzutreiben, dass die Genehmigungsreife erreicht wird.

Auch wenn man das sicher als Erfolg verbuchen kann, wird für mich in der laufenden Diskussion ein wichtiger Punkt vernachlässigt. Die vielfätigen Anforderungen, die von Seiten

  • der Öffentlichkeit
  • der Volksvertreter im Abgeordnetenhaus
  • des Landesdenkmalamtes
  • der Institutionen, die sich für das Gedenken an die Berliner Mauer und die Aufarbeitung der SED-Herrschaft verantwortlich zeichnen
  • der Grundstücksnachbarn

an dieses Neubauprojekt gestellt werden, können von einem privaten Investor schon mangels ausreichender rechtlicher Kompetenzen nicht aufeinander abgestimmt werden. Es ist daher zu erwarten, dass das Vorhaben nicht ohne juristischen Streit und erhebliche Schadensersatzforderungen zu Ende gebracht werden wird. In diesem Zusammenhang sei an die Bebauung des Spreedreiecks am Bahnhof Friedrichstraße erinnert, welche die Gerichte mehrere Jahre beschäftigt und das Land Berlin zu Schadensersatzzahlungen in Millionenhöhe verpflichtet hat.

Neben dem Risiko, in einigen Jahren auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, hat sich der Senat nach Presseberichten im Rahmen eines „Letter of Intent“ gegenüber dem Investor „Trockland“ verpflichtet, für das geplante „Museum des Kalten Krieges“ eine Jahresmiete von ca. 800.000,- Euro zu bezahlen. Damit erwirbt das Land Berlin nicht etwa später das Eigentum, sondern bezahlt auf lange Sicht einen horrenden Betrag für ein Museum, das in Fachkreisen nicht unumstritten ist. Angenommen, das Museum wird mindestens bis zum hundersten Jahrestag des Mauerfalls im Jahr 2089 betrieben, ergibt sich ein kumulierter Mietbetrag von mehr als 50 Millionen Euro, der letzlich von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern in dieser Stadt zu tragen ist.

Wer diese Überlegungen nachvollzieht, wird sich vielleicht fragen, warum sowohl der Senat als auch viele Abgeordnete aus Regierung und Opposition die Ausübung des in den beiden Grundbüchern für das Land Berlin eingetragenen Vorkaufsrechts ablehnen.

Aus meiner Sicht kann der Senat die Interessen der Stadt und damit aller Bürgerinnen und Bürger nur sichern, wenn das Land Berlin mindestens für die Zeit der Projektentwicklung Eigentümer der Grundstücke ist. Der Erinnerungsort Checkpoint Charlie ist für das kulturelle Gedächtnis der Stadt viel zu bedeutsam, um ihn privaten Profitinteressen zu unterwerfen.

Ich plädiere daher für die Ausübung des Vorkaufsrechts bei den beiden freien Grundstücken am Checkpoint Charlie !

Das zuletzt häufig gehörte Gegenargument „mangelnde Finanzierbarkeit“ wirkt auf mich bei einem Haushaltsüberschuss für 2017 in Höhe von 2,1 Milliarden Euro ( siehe Tagesspiegel vom 09.01.2018 „höchster Überschuss aller Zeiten für Berlin“) und einem voraussichtlichen Überschuss von mehr als 1,1 Milliarden Euro in 2018 jedenfalls nicht stichhaltig.