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Architektin über Checkpoint Charlie „Das ist keine nachhaltige Stadtpolitik“ | Interview von Kai Schlieter mit Theresa Keilhacker

Die nach der Senatssitzung vom 4. Dezember bekannt gewordenen Änderungen der planerischen Rahmenbedingungen beschäftigen natürlich auch die in den Planungsprozess involvierten Stadtplanerinnen und Stadtplaner. Im Interview erläutert die Architektin Theresa Keilhacker, die als Fachexpertin an der Vorbereitung des  städtebaulichen Workshopverfahrens beteiligt war, die aus ihrer Sicht notwendigen Änderungen der inhaltlichen Festsetzungen des aufzustellenden Bebauungsplanes. Außerdem plädiert Frau Keilhacker vehement für die Ausübung des Vorkaufsrechts, da das Land Berlin nur so die Planungshoheit an diesem wichtigen Erinnerungsort zurückgewinnen kann.

Artikel in der Berliner Zeitung vom 07.12.2018 (Online-Ausgabe)

 

 

In der Diskussion um das Trockland-Projekt am Checkpoint Charlie haben in den letzten Wochen namhafte Befürworter einer schnellen Bebauung mit Zeitungsmeldungen und einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister auf Ihre Position aufmerksam gemacht. Dabei kritisieren die Befürworter vor allen Dingen das chaotische Erscheinungsbild des Erinnerungsortes mit Schauspieler-Soldaten, Currywurstbuden und Tinnef-Ständen, das aus ihrer Sicht so zeitnah wie möglich beendet werden muss. Wenn dann noch das „Museum des Kalten Krieges“, über dessen Konzept und seinen Initiator Rainer Klemke in einem Artikel des Tagesspiegel vom 24.08.2018 mit der Überschrift „Klemkes Kampf um das Museum am Checkpoint Charlie“ ausführlich berichtet wird, gebaut wird, kann sich Berlin nach Meinung der Befürworter doch nur glücklich schätzen, das ein Investor diese „Stadtputz-Aktion“ übernimmt und der Stadt einen neuen Museumsbau beschert.

Bei diesen Aufrufen wird allerdings komplett ausgeblendet, dass nicht nur baurechtliche Hürden zu überwinden sind, sondern der „erweiterte Kreuzungsbereich Friedrichstraße/Zimmerstraße vom Landesdenkmalamt im Frühjahr 2018 in die Denkmalliste eingetragen wurde. Die Anforderungen des Denkmalschutzes sind im gutachterlichen Fachbeitrag des Landesdenkmalamtes vom 06.06.2018  nachzulesen, der in der Internetstory „Verscheuert, verkitscht, vergessen“ der Berliner Zeitung veröffentlicht wurde.

Dass bei Projektentwicklungen der Denkmalschutz schlichtweg ignoriert wird, scheint immer mehr in Mode zu kommen. So wollen bekannte Politiker das auch als „Einheitswippe“ bezeichnete Einheitsdenkmal auf dem denkmalgeschützten Sockel des früheren Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals errichten, obwohl von Seiten des Denkmalschutzes schon in 2015 gravierende Bedenken angemeldet wurden. Auch der Abriß der nicht denkmalgeschützten, gleichwohl bauhistorisch wertvollen Kudamm-Theater ist zwischenzeitlich erfolgt, ohne dass sich der Regierende Bürgermeister und damalige Kultursenator Michael Müller mit aller Kraft für den Erhalt der Theater eingesetzt hat. Am Kudamm baut jetzt ein Projektentwickler für eine während des Gerichtsprozesses schwer fassbare Luxemburger Firma, der im Laufe der Verhandlungen angeboten hat, zumindest einer Bühne im Keller des Neubauensembles eine neue Spielstätte einzurichten. Für mich drängt sich hier der Eindruck auf, dass vertraglich gesicherte Kultureinrichtungen bevorzugt in Flächen angeordnet werden, die bei einer gewerblichen Vermietung allenfalls kostendeckend als Lagerflächen oder Tiefgaragen-Stellplätze angeboten werden könnten. So profitieren die Investoren am Checkpoint Charlie gleich zweifach, in dem Sie für die ca. 2000 m2 Museumfläche im Keller ca. 22,- Euro/m2 Kaltmiete von einem überaus solventen Mieter erhalten und zusätzlich die positive Ausstrahlung von Kultureinrichtungen für Ihre Standortwerbung nutzen können.

Aber nun zurück zum Denkmalschutz am Checkpoint Charlie:

Es ist für mich eine fatale Kombination aus Desinteresse und Geringschätzung, dass trotz der zuvor genannten Negativ-Beispiele „Einheitswippe“ und „Kudamm-Bühnen“ auch bei der Neubauplanung am Checkpoint Charlie der Denkmalschutz unter der Räder kommt, weil der Berliner Senat und die zuständigen Senatsverwaltungen offensichtlich lieber einem privaten Investor zu Diensten sind, als mit der Durchsetzung von Denkmalschutz-Auflagen die „bauhistorische DNA“ von Berlin zu sichern. Dieses unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zweifelhafte Verhalten lässt sich auch daran festmachen, dass sich der Landesdenkmalrat in einem Schreiben vom 27.04.2018 beschwert hat, dass er in das  laufende Planungsverfahren erst zu einem Zeitpunkt einbezogen wurde, als durch den schon viel zitierten Letter of Intent bereits wichtige Aspekte des Projektes zwischen Senat und dem Investor Trockland festgezurrt waren.

Leider geht mit Landeskonservator Prof. Dr. Jörg Haspel, der zu Beginn des Bürgerbeteiligungsverfahrens zusammen mit der Architektin Theresa Keilhacker und dem früheren Kultursenator Thomas Flierl scharfe Kritik am Planungsverfahren geübt hatte, einer der wichtigsten Befürworter einer behutsamen und denkmalgerechten Entwicklung des weltweit bekannten Erinnerungsortes in den Ruhestand.

Auch wenn die Bürgerinnen und Bürger der Stadt nur wenig Einfluss auf Verwaltungsverfahren haben, sollten sie sich im Rahmen der öffentlichen Auslegung des Bebauungsplans 1-98 mit möglichst vielen, inhaltlich differenzierten Stellungnahmen beteiligen, in denen sie auf die angemessene Berücksichtigung denkmalpflegerischer Belange hinweisen sollten. Falls die denkmalrechtlichen Belange nicht ausreichend berücksichtigt werden, können die amtlichen Entscheidungen im Rahmen einer Normenkontrollklage einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werden.

 

Am Freitag, den 7. September hat der „Runde Tisch Liegenschaftspolitik“ zum 25. Mal getagt. Dabei wurde u.a. der bisherige Verlauf und aktuelle Stand des Liegenschaftsfalls „Checkpoint Charlie“ von Theresa Keilhacker präsentiert, die an der Erarbeitung der Fachempfehlungen im Rahmen des Beteiligungsprozess „Zukunft Checkpoint Charlie“ mitgewirkt hat. Ab dem 28. Mai konnten die Bürgerinnen und Bürger Ihre Ansichten auf drei Diskussionsveranstaltungen in den Beteiligungsprozess einzubringen. Vor der abschließenden Obergutachter-Sitzung am 6. August wurden die Konzeptentwürfe der sieben am städtebaulichen Workshopverfahren beteiligten Architekturbüros vorgestellt und die Bürgerinnen und Bürger waren wieder zur Beteiligung eingeladen. Dabei konnte man sich auf vorbereiteten „Meinungsbögen“ schriftlich zu den sieben Entwürfen äußern.

Für Leserinnen und Leser klingt das bis hierhin wie ein Musterbeispiel aus einem Leitfaden für Bürgerbeteiligungs-verfahren. Tatsächlich stellt sich aber gleich die Frage, ob bei einem Bauprojekt von gesamtstädtischer Bedeutung die geringe Anzahl der Besucherinnen und Besucher bei den drei Veranstaltungsterminen bzw. bei der Präsentation der Konzeptentwürfe (hier 300 laut Veranstalter URBAN CATALYST GmbH) nicht viel zu gering ist, um die Meinung der Zivilgesellschaft in einer Stadt mit 3,7 Millionen Einwohnern halbwegs zutreffend zu erfassen. Um ein verlässliches Meinungsbild zu erhalten, braucht es sicher nicht die 1 Million Stimmen der Wählerinnen und Wähler, die sich am Volksentscheid zum Tempelhofer Feld beteiligt haben. Den Beteiligungsprozess „Zukunft Checkpoint Charlie“ mit deutlich weniger als 1.000 „Stimmen“ als großen Erfolg zu werten, wie es die zuständige SenatorinKathrin Lompscher tut, erfordert allerdings schon eine gehörige Portion Chuzpe.

Damit aber nicht genug:

Über das laufende Verfahren gut informierte Teilnehmer haben nach der Sitzung des Runden Tischs berichtet, dass die federführende Abteilung II in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen die in der Obergutachtersitzung vom 6. August die für beide freien Grundstücke verabschiedeten städtebaulichen „Kernvorgaben“ nur für das westliche Grundstück (Block Zimmerstr./Friedrichstr./Mauerstr.) anwenden will. Dabei ist sowohl in den zum Verfahren gedruckten Flyern als auch in der Dokumentation des Beteiligungsprozesses „Zukunft Checkpoint Charlie“ in der Grafik „Um welche Flächen geht es?“ auch das östliche Grundstück (Block Zimmerstr./Friedrichstr./Schützenstraße) rot markiert. Das kann man nur so verstehen, dass beide freien Grundstücke rechts und links der Friedrichstraße Gegenstand des Bürgerbeteiligungs- und Workshopverfahrens waren!

Nach alledem werden sich nicht nur die im Verfahren aktiven Bürgerinnen und Bürger fragen, ob sie vom Senat für eine „Fake-Veranstaltung“ missbraucht wurden, die vor allen Dingen dazu gedient hat, dem mit dem Investor Trockland schon vorher festgelegten Umfang der Bebauung einen demokratischen Anstrich zu verleihen.

Wer wie ich diese „Beteiligungsfarce“ nicht unkommentiert lassen will, kann sich mit einem Beschwerdeschreiben an die zuständige Senatorin Kathrin Lompscher wenden, die unter folgender Postadresse erreichbar ist:

Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen
Frau Kathrin Lompscher
Württembergische Straße 6
10707 Berlin

 

Die Initiative beginnt heute, über aktuelle Ereignisse rund um das Neubauprojekt am Checkpoint Charlie zu berichten. Mit der Sitzung des Ausschusses für kulturelle Angelegenheiten am 3. September hat der erste mit dem Neubauprojekt befasste Parlamentsausschuss seine Arbeit aufgenommen. Im Moment ist das Sitzungsprotokoll noch nicht veröffentlicht (Stand 6.9./18:25 Uhr) und man darf gespannt sein, ob in der Sitzung über das Projekt des Investors „Trockland“ gesprochen wurde. In jedem Fall steht das Thema auf der Tagesordnung des „25. Runden Tischs für Liegenschaftspolitik“, der am morgigen Freitag ab 10 Uhr im Abgeordnetenhaus tagt. Das Referat zum Tagesordnungspunkt „Liegenschaftsfall Checkpoint Charlie“ übernimmt Theresa Keilhacker, die sich von Beginn an kritisch mit Inhalt und Ablauf des Verfahrens auseinandersetzt.

Im Morgen-Newsletter „Checkpoint Tagesspiegel“ des Chefredakteurs Lorenz Maroldt wurde heute berichtet, dass der Investor „Trockland“ Abgeordneten des Landesparlaments in einem Schreiben mitgeteilt hat, bei einer Verzögerung der notwendigen Parlamentszustimmung über den 31.12.2018 hinaus die Zwangsversteigerung der Grundstücke in die Wege zu leiten. Nach den von der Berliner Zeitung veröffentlichten Grundbuchauszügen hat eine in Luxemburg beheimatete Firma die erst- und zweitrangig gesicherten Grundschulden übernommen und ist als Gläubiger natürlich berechtigt, die Zwangsversteigerung zu beantragen. Hier wie auch an vielen anderen Stellen mangelt es allerdings an Transparenz. Die geschäftliche Beziehung zwischen „Trockland“ und dem im Grundbuch genannten Grundschuldgläubiger „AF I Originator S.a.r.l.“ bleibt ebenso im Dunkeln wie die konkreten vertraglichen Regelungen zu dem für das Land Berlin eingetragenen Vorkaufsrecht. Die genauen Bestimmungen zum Vorkaufsrecht, das nicht nur „für den ersten Verkaufsfall“, sondern „für alle Verkaufsfälle“ gilt, ergeben sich aus der Bewilligungen, die von einer Notarin in den 90er-Jahren beurkundet wurden und die bei den Grundakten im Amtsgericht Mitte liegen. In einem Zwangsversteigerungverfahren könnte das Land Berlin das Vorkaufsrecht nicht ausüben. Dieses Recht geht aber mit dem ersten Verkauf wahrscheinlich nicht unter, sondern bleibt als Belastung in Abteilung 2 des Grundbuches stehen. Bei dieser Grundbuchlage und der komplizierten Planungssituation sind Zweifel angebracht, ob das Zwangsversteigerungsverfahren ein Selbstläufer wird. Nicht auszuschließen ist, dass Trockland selbst das Grundstück ersteigert und so die Hindernisse beseitigt, die momentan der Eigentumsumschreibung im Wege stehen.

Da eine Grundbucheinsicht nur möglich ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse nachweist, sollte das Land Berlin ernsthaft prüfen, ob es einen Weg für eine Veröffentlichung der kompletten Grundakten gibt. Nur durch eine solche Transparenz-Offensive kann der Senat schon verlorengegangenes Vertrauen zurückgewinnen.

„Checkpoint Charlie muss bürgernaher Geschichtsort werden“ | Gastbeitrag von Theresa Keilhacker und Christoph Sommer

Die Architektin Theresa Keilhacker und der Stadtforscher Christoph Sommer von Geographischen Institut der HU Berlin geben einen detaillierten Überblick über den aktuell bekannten „Flächen-Mix“, die notwendige stärkere Ausrichtung des Planungsprozesses auf die Interessen der Öffentlichkeit und den Standpunkt des Berliner Senats zur Ausübung des Vorkaufsrechts. Die Autoren fordern den Senat und das Abgeordnetenhaus auf, die Ergebnisse des laufenden Workshopverfahren kritisch zu untersuchen und bei Zweifeln an der städtebaulichen Qualität und Gemeinwohlorientierung einen offenen städte- und hochbaulichen Wetttbewerb durchzuführen. Dabei sollte auch der von der Wirtschaftssenatorin Ramona Pop verkündete Anspruch, in Berlin Ideen für einen nachhaltigen und stadtverträgliche Tourismus umzusetzen, ernstgenommen werden.

Tagesspiegel vom 01. August 2018

 

Der Streit ist voll entbrannt- Bauen am Checkpoint Charlie

Der TAZ-Redakteur Uwe Rada beschreibt die konträren Positionen der am Planungsprozess und der öffentlichen Debatte beteiligten Personen. Zu den Befürwortern zählen neben dem Investor „Trockland“ die Bausenatorin Katrin Lompscher, der Finanzsenator Matthias Kollatz und der Kultursenator Klaus Lederer. Vehement gegen das oft als „Private Public Partnership“ bezeichnete Verfahren sprechen sich die Architekten und Stadtplanerin Theresa Keilhacker, der ehemalige Kultursenator Thomas Flierl und der Landeskonservator Jörg Haspel aus.

Artikel in der TAZ vom 26. Juli 2018

(Es erfolgt hier keine direkte Verlinkung, weil die TAZ den Artikel auf ihrer Internetseite nicht direkt anzeigt, sondern um Abschluss eines Abos bittet)